Auswilderung Igel im garten

Der Igel #181

Wie kommt der Gemeinschaftsgarten Mattenbach dazu, im Herbst 2020 einen Igel im Püntenareal auszuwildern? Das nette Säugetier soll unter anderem Nacktschnecken vertilgen – so vernehmen wir es … Da wir mit den Landnacktschnecken der Ordnung Lungenschnecken fast das ganze Jahr um unsere Ernte kämpfen, fairerweise ohne Pestizide, käme uns eine stachelige Fressmaschine gerade recht. Am besten gleich eine ganze Grossfamilie mit viel Nachwuchs. Zu diesem Zweck erstellten wir bereits 2019 in einer ruhigen Gartenecke einen Asthaufen und hofften auf dessen Besiedlung. Offenbar zu wenig, denn niemals wurde dort ein Erinaceus gesichtet.

Der Zufall will es, dass die Verfasserin dieses Artikels im September 2020 an der Igelhilfe Winterthur vorbeijoggt. Spontan und neugierig schaut sie hinein und erkundigt sich, wie die Igelhilfe funktioniert. Dabei erzählt sie vom Igelwunsch des Gemeinschaftsgartens und wird gebeten, die Kontaktdaten zu hinterlassen.
Am nächsten Tag kommt prompt die Anfrage, ob wir zeitnah ein Igelmännchen auswildern würden. Ja, würden wir! Eilends wird ein Auswilderungsgehege im Gemeinschaftsgarten montiert, mitsamt Schlaf- und Futterbox. Die ganze Ausrüstung wird von der Igelhilfe für die Auswilderungsphase von ca. 4 Wochen zur Verfügung gestellt.

Das temporäre Auswilderungsgehege ist ca. 1.5 x 3 m gross

Das junge und gut genährte Igelmännchen trägt keinen Namen, aber laut Register die Nummer 181. Es wurde in einem Fabrikareal in Hegi aufgegriffen, wo es keine Chance auf eine ungestörte Überwinterung hat. Der temperamentvolle Bursche wird uns zur Fütterung und stufenweiser Auswilderung anvertraut. Obwohl seines Zeichens nachtaktiv, erkundet er bereits am ersten Tag neugierig seine neue Umgebung.

Die Igel – wissenschaftlicher Name ist Erinaceus – sind (eigentlich) nachtaktiv.

Während der ersten zwei Wochen bleibt das Gehege verschlossen, damit sich der Neuling an die neue Umgebung gewöhnt. Wir verpflegen ihn mit Katzenfutter, Wasser und frischen Engerlingen. Der Bursche lässt das hochwertige Bio-Katzentrockenfutter unangetastet und schlägt sich den Bauch lieber mit billigem Katzennassfutter voll. Und nicht nur, dass er an den ins Gehege kriechenden Nacktschnecken kein Interesse zeigt. Sondern er überlässt diesen kampflos auch das Trockenfutter! Zudem gräbt er bald einen Fluchttunnel unter dem Gehege, was wir mit Steinbepflasterung verhindern.
Wir geben nicht auf und bereiten Phase 2 der Auswilderung vor. An einem verregneten Samstag erstellen wir ein durchdachtes Igelhaus aus Ästen, Steinen, Blättern und Stroh. Wenn dieses dem Igel behagt, wird er es für den Winterschlaf benutzen. Jetzt wird das Gehege geöffnet und noch weitere zwei Wochen mit Futter bestückt. Der Igel soll einerseits die nähere Umgebung erkunden und selbständig auf Futtersuche gehen, andererseits einen sicheren Rückzugsort haben.

Die Architekten des Igelbaus (in der Mitte)

Gespannt beobachten wir, ob das Futter verschwindet und der Igelbau bezogen wird. Ja, das Futter löst sich stets schnell wie in Luft auf. Aber ist es unsere #181 oder … ? Jedenfalls wird das Höhere Säugetier der Ordnung Insektenfresser nicht mehr gesichtet und der Igelbau bleibt leer. Die Frage nach dem Geniesser des Katzenfutters erübrigt sich, als wir einen Vertreter des Felis catus aus dem Igelgehege flüchten sehen. Das findige Raubtier der Unterfamilie Kleinkatzen hat das Katzennassfutter bis zum letzten Biss leergefressen.

Wo Igel #181 geblieben ist, wissen wir nicht. Aber wir hoffen, dass er einen geeigneten Unterschlupf gefunden hat und seinen Winterschlaf geniesst. Wer weiss, vielleicht ist er gar der Liebe seines Lebens in Form einer Igeldame begegnet und das Paar beglückt uns nächstes Jahr mit einer ganzen Jungigelschar!

Was tun, wenn man einen verletzten Igel aufgreift? Diese Webseite gibt Auskunft:

www.igelhilfe-winterthur.ch

Fotos und Text: Gemeinschaftsgarten Mattenbach